Kolumne 

Unerzogen, frech oder doch nur schüchtern? Wenn Kinder anderen die Hand verweigern

Zoff zu Hause. Wenn Eltern streiten

Emotionale Grenzsituationen. Wie kommen Sie da durch?

Ein Hoch auf die Trotzphase. Tipps zum Umgang mit der Wut

 

Viel Spaß beim Lesen!

Unerzogen, frech oder doch nur schüchtern?

Wenn Kinder anderen die Hand verweigern

Ein Schmatzer auf die Wange, liebevolles Tätscheln des Kopfes oder eine innige Umarmung: Kinder erleben im Alltag eine Vielzahl an körperlicher Zuwendung und Aufmerksamkeit. Was ist aber, wenn sie sich nicht umarmen, die Hand geben oder den Kopf tätscheln lassen wollen? Der Nachwuchs entschwindet dann gern mal aus der Situation oder versteckt sich unsicher hinter seinen Eltern. Doch wie bewertet man dieses Verhalten? 

Ich sage, Kinder haben ein Recht darauf, nein sagen zu dürfen. Wir Erwachsene können ja auch entscheiden, wem wir die Hand geben wollen, wer uns innig umarmen darf und von wem wir uns auf die Wange küssen lassen. Wenn also ein vertrauter Mensch, eine nahestehende Person ein Nein nicht akzeptiert, steigt die Unsicherheit beim Kind. Eltern wünschen sich für ihr Kind - wenn es um fremde Menschen geht - Selbstbestimmtheit. Sie hoffen, dass ihr Nachwuchs sich in unwohlen Situationen behauptet und nicht fremdbestimmen lässt. Sie predigen ihrem Kind das Recht am eigenen Körper. Immer in der Hoffnung, dass es bei fremden Menschen vorsichtig ist und an die Ratschläge von zu Hause denkt. Doch wer ist fremd? 

Für Kinder ist das Wort "fremd" ein schwer einzuschätzender Begriff. Schon eine kurze Unterhaltung mit einer völlig fremden Person, lässt Kinder schnell behaupten, dass dieser fremde Mensch ihr Freund ist. Es ist wichtig, mit seinem Nachwuchs kindgerecht über Gefahrensituationen zu sprechen und es in seinem Verständnis darüber zu schärfen. Über Situationen des Alltags zu sprechen, diese auszuwerten (ohne Vorwürfe), hilft den heranwachsenden Persönlichkeiten, ihr Bauchgefühl zu stärken. 

Kinder sollten selbst entscheiden dürfen, was sie mögen und was nicht. Allerdings liefert Selbstbestimmtheit kein Argument dafür, sich dem sozialen Miteinander zu entziehen. Wer die Hand verweigern möchte, kann trotzdem nett und höflich guten Tag sagen. Wem das Tätscheln unangenehm ist, kann freundlich darauf hinweisen, dass er das nicht mag. Doch wenn auf der einen Seite ein Kind ist, das etwas zeigt oder sagt, sollte auf der anderen Seite auch ein Erwachsener sein, der hinschaut und gut zuhört. 

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Zoff zu Hause

Wenn Eltern streiten

Sie fühlen sich schuldig, wollen helfen und schlichten. Doch allzu oft hört ihnen niemand zu. Ich staune immer wieder, wie oft Kinder mir von heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern berichten. Vor Kurzem erst erzählte mir ein Kind von seiner Angst und Unsicherheit, aufgrund seiner häufig streitenden Eltern. Der Streit führe oftmals zu heftigen Beleidigungen, wüsten Beschimpfungen und ende schlussendlich in Tränen. "Sie hören mir nicht zu, reden nicht mit mir. Mama geht immer schnell weg, wenn ich dazu komme. Papa sagt, das war doch gar nicht so schlimm." 

Kinder sitzen dann allein mit ihrer Angst in ihrem Zimmer, hilflos den streitenden Stimmen der Eltern ausgesetzt. Sie fürchten sich davor, sich im Falle einer Trennung entscheiden zu müssen: Mama oder Papa? In anderen Fällen gehen Kinder aktiv dazwischen, beruhigen die erhitzten Gemüter und sorgen für ein Ende der Diskussionen, bevor es zu eskalieren droht. Sie trösten, trocknen Tränen, übersetzen für den jeweils Anderen und beschwichtigen. Diese Vermittlerrolle ist für kleine, schmale Kinderschultern eine enorm große Last und hinterlässt auf lange Sicht deutliche Spuren. 

Wer nun aber glaubt, Kindern eine heile Welt vorspielen zu können, der unterschätzt ihre unsichtbaren Antennen. Kinder bekommen die Auseinandersetzungen der Eltern immer mit und leiden unter dieser bedrohlichen Atmosphäre: Manchmal kehrt das Einnässen zurück, es entstehen Schulprobleme oder Verhaltensauffälligkeiten beim Nachwuchs.

Konflikte sind aber nichts, was man partout vermeiden sollte. Über Konflikte können wir Grenzen aushandeln, die eigene Stellung etablieren und unsere Bedürfnisse durchsetzen. Sie können Anregung sein, Dinge in Frage zu stellen und neu zu verhandeln. Konstruktive Auseinandersetzungen können für einen lebendigen Austausch sorgen und letztendlich zu mehr Verständnis füreinander verhelfen. Die Frage lautet also: Auf welche Art und Weise klären Sie zu Hause Ihre Differenzen? 

Je nachdem, welche Streitkultur Sie leben, beeinflussen Sie auch Ihr Kind. Beachten Sie bei Ihren Auseinandersetzungen allerdings ein paar Regeln, kann der Nachwuchs von familiären Konflikten sogar profitieren. Bleiben Sie sachlich und suchen Sie nach Lösungen, statt sich immer wieder im Kreis zu drehen. Geben Sie sich selbst und Ihrem Partner Zeit, erst einmal durchzuatmen und die Emotionen etwas abzukühlen, bevor Sie ein klärendes Gespräch führen. Erkennen Sie Ihre Bedürfnisse und die des Partners, die hinter dem Streit liegen:  Wünschen Sie sich beispielsweise Anerkennung, Respekt, Sicherheit, Aufmerksamkeit? Reden Sie vor Ihrem Kind nicht schlecht über den anderen Elternteil. Bei Themen, für die Sie keine Lösungen oder Kompromisse finden, kann auch eine Familienberatungsstelle mit einbezogen werden, ebenso wenn die Fronten zwischen Ihnen als Paar verhärtet sind. 

Kinder lernen von Ihnen, wie man streitet und wie man Lösungen finden kann. Sie lernen, welche Strategien hilfreich sind und dass manchmal Kompromisse nötig sind. Sie lernen, wie man den eigenen Standpunkt vertreten kann, ohne unsachlich zu werden. Sie lernen, dass ein Streit nicht gleich das Ende einer Beziehung oder Freundschaft bedeutet, sondern vielmehr wie man immer wieder zueinander finden und gestärkt daraus hervorgehen kann. Schützen Sie sich als Paar und Ihre Kinder, indem Sie eine gute Streitkultur in Ihrer Familie etablieren. 

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Emotionale Grenzsituationen

Wie kommen Sie da durch?

Ob wir es zugeben wollen oder nicht: Es gibt immer wieder Momente, die uns an unsere emotionalen Grenzen bringen. Jeder von uns hat seine ganz eigenen Situationen, in denen er die negativen Dinge zu nah an sich heranlässt, sich emotional hineinsteigert und womöglich überreagiert. Und jedes Mal ärgert man sich ein klein wenig mehr darüber, dass der oder die Andere es wieder einmal geschafft hat, uns an die eigenen Grenzen und darüber hinaus zu bringen!

Wie reagieren Sie in solchen Situationen: Mit Rückzug, Angriff oder verfallen Sie in eine Art Schockstarre? Oftmals sind fehlende Werkzeuge der Grund für eine Nicht- oder Überreaktion. Unseren Körper trainieren wir, doch unser Denken und Fühlen wird häufig vernachlässigt. Was können Sie also konkret für sich und Ihre Emotionen tun? 

Sie können das Verhalten der Anderen nicht beeinflussen, aber Ihren eigenen Umgang damit. Also arbeiten Sie an sich so gut es geht. Schenken Sie sich und Ihren Gefühlen ausreichend Aufmerksamkeit. Fragen Sie sich immer mal wieder, wie es Ihnen gerade geht. Sorgen Sie für ausreichend Entspannung und Ausgleich in stressigen Phasen. Gönnen Sie sich Auszeiten und liebgewonnene Rituale.

Klar, am einfachsten wäre es auch, Situationen oder Menschen zu meiden, die Ihnen nicht guttun. Doch das ist nicht immer möglich. Bleiben Sie in Extremsituationen bei sich und Ihrer Wahrnehmung und konzentrieren Sie sich nicht zu sehr auf den Anderen. Fragen Sie sich statt ‚Was macht mein Gegenüber falsch?‘ lieber ‚Was konkret triggert mich an und wie kann ich auf darauf reagieren, um mich zu schützen?‘ Natürlich ist es verführerisch, die Verantwortung für mein eigenes Wohlbefinden abzugeben, schließlich tut der Andere ja alles dafür, dass es mir schlecht geht!  Doch das bringt Sie nicht weiter und führt eher dazu, dass sich die Muster immer wiederholen werden. Negative Situationen und seine Gefühle zu kontrollieren ist keine einfache Aufgabe! Deshalb sollten Sie aber trotzdem, wenn Sie Ihre eigenen emotionalen Grenzen erkennen, sie auch unbedingt kommunizieren.

ABER: Atmen Sie erst einmal durch, bevor Sie die Dinge ansprechen und klären möchten. Dabei können Atemübungen helfen. Wenn die Stimmung noch zu aufgeheizt ist, wird es auf beiden Seiten keine Einsicht geben. Haben sich die Emotionen etwas beruhigt, sprechen Sie Ihre Gefühle an, statt Vorwürfe zu machen. Denn Gefühle sind nicht verhandelbar! Dafür helfen Ihnen ICH-Botschaften. Hören Sie zu, was der andere Ihnen zu sagen hat und versuchen Sie zu erkennen, wo Ihr Anteil liegt. Suchen Sie sich ggf. einen neutralen Vermittler zur Unterstützung.

Wenn Sie sich allerdings immer wieder in emotionalen Grenzsituationen wiederfinden, erkennen Sie die Muster! Welche guten Gründe könnte es dafür geben, dass sich solche Momente wiederholen: Geht es um Machtspiele? Um Frustabbau? Oder um den eigenen Schutzpanzer aus Angst vor Verletzung? Was könnte dahinterstecken?

Häufig helfen Gespräche mit Freunden oder der Familie, seinen Fokus wiederzufinden, die Dinge deutlicher zu sehen und sich emotional zu stabilisieren. Doch was ist, wenn der Rat nicht mehr ausreicht, weil immer wieder die gleichen Probleme auftreten oder sich sogar verschlimmern? Lassen Sie sich ruhig durch kompetente Menschen helfen, aus dem Kreislauf auszubrechen. Doch bei all den Ansprüchen an Sie sich selbst: Seien Sie nicht so streng mit sich – denn wer ist schon perfekt? Sich selbst und anderen Fehler zu verzeihen, macht sympathisch und vor allem entspannter! Seien Sie also nicht perfekt und stehen Sie zu sich. Damit können Sie allzu großen Druck und große Anspannung vermeiden und ein klein wenig leichter durchs Leben spazieren. 

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Ein Hoch auf die Trotzphase

Tipps zum Umgang mit der Wut

Ich erlebe im Alltag häufig Kinder, die ihre Wut, ihren Frust, ihre Gefühle nicht richtig regulieren können. Kinder, die lauthals im Supermarkt schreien. Kinder, die nicht damit umgehen können, wenn etwas nicht so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt haben und sich dann in einen mittelschweren Wutausbruch hineinsteigern. Kinder, die alles und jeden um sich herum vergessen und dann gern als Störenfried, erziehungsintensiv, verhaltensauffällig oder aggressiv bezeichnet werden.

Ist dieses heftige (und oftmals sehr laute) Verhalten der Kinder eigentlich normal? Ich sage ja. Auch wenn es anstrengend ist - fürs Kind, für die Eltern und für alle unfreiwillig Beteiligten im näheren Umfeld des Wutausbrüchigen. Es gibt eine Phase im Leben der Kinder - die sogenannte Trotzphase - die sie mutig und heldenhaft die Grenzen erkunden, lauthals beschreien und heftigst bebocken lässt. Und das ist auch gut so.

Kinder müssen diese Grenzerfahrungen machen, sich hochspulen und mal so richtig aufregen (dürfen!). Wäre doch auch irgendwie komisch, wenn die kleinen Persönlichkeiten alles einfach immer nur so hinnehmen würden. Sie als Eltern wollen doch schließlich, dass aus Ihrem Nachwuchs neugierige und selbstbewusste Erwachsene werden, die wissen, wie weit sie gehen können und wo Schluss ist. Aber dieses Lernen passiert nicht von heute auf morgen - und schon gar nicht von allein.

Für Eltern heißt es dann:  Augen zu und durch! Und irgendwann ist die Trotzphase ja auch wieder vorbei. Aber wie kommen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind möglichst heil durch diese Zeit? Strategische Ablenkmanöver sind schnelle Helfer, sollten aber nur vorsichtig eingesetzt werden. Umgehen Sie den Wutanfall Ihres Kindes allzu oft, wird es schnell merken, wie es sich seinen Willen gezielt ertrotzen kann. Das Gleiche gilt fürs Nachgeben.

In meiner Arbeit mit Familien habe ich bislang eine unglaubliche Vielfalt an Ausweichmanövern der Eltern für den Wutanfall des eigenen Kindes erlebt. Ein besonders kreatives Manöver zeigte sich in der Erzählung einer Mutter, die bei einem Wutausbruch ihres Kindes stets in die Badewanne mit ihm geht. Das hilft im konkreten Moment zu Hause vielleicht schnell weiter, ist allerdings nicht wirklich förderlich.

Selbst wütend zu werden und eine große Schimpftirade zu starten, weil Ihr Kind so unerhört bockt, bewirkt im schlimmsten Fall eine Steigerung des Wutverhaltens. Gestehen Sie Ihrem Kind die Wut zu, aber achten Sie auf die Grenzen im Verhalten Ihres Kindes. Bleiben Sie cool und nehmen Sie das Verhalten Ihres Kindes nicht persönlich. Bleiben Sie konsequent und standhaft. Sie sind der Erwachsene und geben den erzieherischen Rahmen vor, nicht umgekehrt.

Achten Sie unbedingt auf Ihre Selbstkontrolle (Ich weiß, leichter gesagt als getan). Liegen die Nerven blank, planen Sie einen Schichtwechsel mit Ihrem Partner (sofern er in der Nähe ist). Er übernimmt die Wut-Wache, Sie ruhen sich aus und schöpfen neue Kraft. Steht gerade kein Rettungsanker in Form einer erwachsenen Person zur Verfügung, gehen Sie aus der Situation und gönnen Sie sich eine kurze Auszeit. Ihr eigenes Wohlbefinden steht über dem pädagogischen Moment.

Führen Sie sich vor Augen: Jeder Bock, jeder Wutausbruch sorgt dafür, dass Ihr Kind weiß, wie es Frustmomente besser überstehen kann. Unterstützen Sie Ihr Kind dabei und geben Sie ihm Tipps zur Entspannung im Falle eines Wutanfalls. Testen Sie gemeinsam, womit sich Ihr Kind selbst gut beruhigen kann. Sie werden sehen, von Bock zu Bock wird’s leichter. Kinder müssen also wütend werden, um zu lernen, wie man sich wieder beruhigt. Das stellt sowohl im Kindes-, aber auch im Erwachsenenalter eine wichtige Eigenschaft dar.

Lassen Sie Ihrem Kind die Trotzphase und begleiten Sie es dabei – Sie bereichern den Erfahrungsschatz Ihres Kindes für das ganze weitere Leben. Und eins ist sicher: Sie sind nicht allein. Die Herausforderung an Sie als Eltern mit einem trotzigen Kind teilen Sie mit allen Eltern auf diesem Planeten. Auch ein Trost. 

Wir lesen uns.

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